Musiker & Corona – Swipes im Interview!

Magazin „Wildwechsel“: “Corona-Interview” mit Stefan, Sänger und Gitarrist der Garage-Punk Band “The Swipes”

Wie erlebst du aktuell die Situation?

Es ist eine Situation, wie sie wohl kaum jemand von uns schon mal in vergleichbarer Weise erlebt hat. Stündlich ändern sich die Verschärfungen. Innerhalb von wenigen Tagen hat sich die Welt in das Horrorszenario eines Endzeitthrillers wie 12 Monkeys oder Outbreak verwandelt. Zum Glück noch ohne Massensterben, aber schon mit bedauerlich vielen Toten. Ich sitze nun zuhause im Homeoffice, bei meinem Arbeitgeber ist das zum Glück kein Problem. Andere haben da weniger Glück.

Was denkst du über die Maßnahmen, Konzerte abzusagen?

Die Swipes mussten bereits Konzerte absagen, zumindest die Shows der kommenden Wochen. Es bleibt auch nicht anders übrig, da praktisch alle deutschen Clubs schließen mussten. Da Körperkontakt gerade beim wilden Tanzen auf Konzerten sehr wahrscheinlich ist, haben die Maßnahmen natürlich unser Verständnis. Gesundheit geht vor. Welche Band will schon später hören, dass sich Teile des eigenen Publikums kontaminiert haben und vielleicht sogar verstorben sind, weil man unbedingt das Konzert durchziehen wollte. Das bringt nichts.

Bist du auf die Einnahmen aus deiner musikalischen Tätigkeit angewiesen? Falls ja was bedeutet der Verdienstausfall für dich?

Wir haben einen semiprofessionellen Anspruch, aber wir haben alle unsere regulären Jobs und leben nicht von der Musik. Einer von uns arbeitet allerdings in der Veranstaltungsbranche. Sein Arbeitgeber hat auf Grund der vielen Veranstaltungsabsagen nun langsam ernsthafte Schwierigkeiten. 

Für uns – wie für sicherlich viele kleinere Bands – bedeutet die Corona-Krise, dass geplante Ziele wie zum Beispiel der nächste Album-Release auf unbekannter Zeit verschoben werden müssen, da schlichtweg die Einnahmen aus Konzerten samt Merchandising fehlen. Am schlimmsten trifft es aber Clubs und Veranstalter, die auf Monate nun völlige Unsicherheit durchleben müssen. Viele werden einfach aufgeben müssen. Das ist eine Katastrophe für die weltweite Künstlerszene und Kultur. Die Clubs, die endgültig schließen müssen, werden dann vermutlich in Kürze von der Gentrifizierung der Großstädte verschluckt. Was weg ist, wird keinen Platz mehr bekommen. Echte Subkultur wird massiv leiden. Großraumdiskos finden vermutlich schneller neue Investoren.

Gibt es finanzielle Hilfen in der aktuellen Situation?

Die Bundesregierung hat Kredite ohne Obergrenze angekündigt. Wie das umzusetzen und von Steuern bezahlbar sein soll, mal dahingestellt. Das gilt wohl für Unternehmen, aber auch für Selbstständige. Darunter würden viele Künstler fallen. Die Grünen haben auch eine Initiative gestartet, gezielt Clubs, Veranstalter und Künstler zu unterstützen. Hier wurde die Not zumindest schon mal thematisiert. Es gibt zudem Aufrufe, für gekaufte Tickets bei abgesagten Konzerten aus Solidarität kein Geld zurückzuverlangen. Auch ein Weg, aber mit Sicherheit nur eine kleine Notfallhilfe, wenn laufende Einnahmen komplett wegbrechen. Servicekräfte in den Clubs werden meist nur bezahlt, wenn sie ihre Schicht haben, Tontechniker nur beim Konzert. Ob auch hier Hilfe kommen wird, steht in den Sternen. Jeder Topf wird irgendwann leer sein. Die Regierung wird aber zuerst große Konzerne stützen, anderes wie Kultur ist aus Politikersicht vermutlich entbehrlich. Am Ende gilt sicherlich: Die meisten werden sich selbst helfen müssen.

Was würdest du dir wünschen (Politik etc)?

In erster Linie wünschen wir uns selbstverständlich, dass so wenig Menschen wie möglich zu Schaden kommen. Dann ist es wichtig, dass die Menschen solidarisch zueinander stehen und nicht nur aus Panik sämtliches Klopapier aufkaufen. Von der Politik kann man sich nur Besonnenheit erhoffen, dass einschneidende Entscheidungen mit großen Bedacht getroffen werden, wir alle zahlen einen hohen Preis dafür: Unsere Freiheit und Selbstbestimmung. Meine große Hoffnung ist, dass die Welt aus dieser in dieser Form einzigartigen Geschichte lernt, enger zusammenzustehen. Und wir lernen die Dinge, die uns trennen, zu überwinden. Ganz wichtig ist auch eine noch deutlichere Abgrenzung der Gesellschaft gegen rechte Parteien wie die AfD und alle anderen Rechtsradikale, die diese Krise bereits wieder für ihre abartigen Zwecke instrumentalisieren. Für viele dieser Menschenhasser ist die derzeitige Situation ein wahr gewordener feuchter Traum.

Wie siehst du deine/eure Zukunft?

Die Swipes werden sobald wie möglich wieder live spielen, es wird natürlich irgendwann weitergehen. Bis dahin heißt es Geduld haben und gute Songs schreiben, die Menschen glücklich machen.

Hast du sonst noch etwas zu dem Thema zu sagen?

Wir müssen alle aufeinander aufpassen und die Zeit zur Reflexion nutzen. Lasst uns die Freiheiten, die wir hatten und einander helfen, dass wir bald dahin zurückkehren können.

Hier geht es zum Artikel auf der Wildwechsel-Seite…


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